Meditation.
Das Einzige, was hilft, wenn irgendwie wieder alles zu viel wird.
Meditation.
Der einzige Weg nicht das gesamte Camp in Schutt und Asche legen zu wollen.
Meditation.
Das einzige Mittel um damit zurecht zu kommen, wenn Cassandra nicht da ist.
Ich atme tief durch, lasse die Luft bewusst durch meinen Körper strömen.
Das Blätterdach über mir rauscht im leichten Wind.
Das Gras ist kühl, aber trocken.
Eigentlich ist ein schöner, sonniger Tag.
Also das perfekte Wetter, um einen Sohn der Nacht verrückt zu machen.

Meine Unruhe treibt mich dazu mich umzuziehen und raus zugehen. Ich hab die Hoffnung noch nicht aufgegeben auch wenn ich nichts finden kann. Und das schon seit Monaten. Absolut nichts, aber eben auch keine Sterbeurkunde. Vielleicht wäre meine innere Unruhe weg wenn ich ihn finden könnte, wenn ich wüsste was mit ihm passiert ist. Ich laufe einfach los und achte gar nicht richtig wohin. Ich laufe schon seit Jahren immer den selben Weg also lasse ich mich einfach leiten, leiten von meinem Gefühl. Ich bin nur mit einem MP3 Player und einer trinkflasche ausgestattet. Was braucht man auch mehr zum Joggen. erst nach einer Weile merke ich das nicht auf dem üblichen weg bin. Verwirrt werde ich langsamer und sehe mich um. Vor mir scheint es etwas heller durch die Blätterdecke und ein vertrautes Gefühl zieht mich weiter. Ich folge diesem ohne es zu hinterfragen, mein Gefühl ist mir schon immer ein guter Ratgeber gewesen. Die Kopfhörer meines MP3 Players nehme ich ab und gehe weiter. Ich betrete eine Lichtung und da sitzt jemand. Dieses Gefühl der Vertrautheit zieht mich näher an die Person. Um so Näher ich komme um so mehr kann ich erkennen. Ich stocke und mir fehlt fast die Luft zum Atmen. Konnte das den sein? Nach den Monaten des nichts findens, sitzt er nun hier vor mir? Er sieht meinem Dad so ähnlich, es gibt keinen Zweifel, er müsste es sein. Das müsste Lysander sein. Jetzt da ich so vor ihm stehe bekomme ich kein wort heraus. Ich kann ihn einfach nur anstarren.

Die Stille wird durch das Geräusch von Schritten unterbrochen. Aber ich öffne die Augen nicht.
Ich überlege, die Person wegzuschicken, die mich anzustarren scheint, aber ein Gefühl lässt mich inne halten. Es ist ein merkwürdiges Gefühl. Das gleiche empfinde ich bei Nyx.
Irritiert sehe ich dann doch auf.
Ein Mädchen steht vor mir. Stumm wie ein Fisch. Ihre Miene verrät Fassungslosigkeit.
"Ja?", frage ich ruppig.
Ich mag es nicht, während meiner Meditation gestört zu werden.

Mir gleiten die Flasche und mein MP3 Player aus der Hand. Und auch seine ruppige Frage können mich nicht zurück halten. Ich bringe den Abstand zwischen uns hinter mich und falle ihm um den Hals. "Endlich hab ich dich gefunden und du lebst", kommt es mir erleichtert über die Lippen. Ich habe mir absolut keine Gedanken gemacht was ich tue und welche Konsequenz dies haben könnte. Zu sehr werde ich von meinen Gefühlen geleitet und das ich meinen Bruder endlich gefunden habe.

Ich stoße sie grob weg.
"Was soll das?!", frage ich barsch.
Was denkt dieses Mädchen sich? Fällt einem wildfremden Mann um den Hals und behauptet, ihn ewig gesucht zu haben...
Eilig stehe ich auf und gehe ein paar Schritte rückwärts, um Abstand zwischen uns zu bringen.
"Wer in aller Götter Namen bist du?"

Grob stößt er mich von sich und ich lange auf dem Boden. Ich sehe zu ihm auf und stütze mich mit den Armen etwas vom Boden. Das ich wohl ein paar Schrammen davon trage ist mir egal. "Ich heiße Rebecca Sarah Grim.", antworte ich ihm und setze mich nun doch auf. Ich kann ihn überhaupt nicht einschätzen wie er reagieren wird. Artemis sagte etwas davon das es wohl nicht einfach sein würde.

Ich schüttele den Kopf, um meine Gedanken zu ordnen.
"Grim?", frage ich misstrauisch.
War das alles ein großangelegter Scherz? Wer steckt dahinter?
Ich mustere das Mädchen. Es bestehen Ähnlichkeiten. Irgendwie. Aber ich sehe nicht ein, dass sie möglicherweise mit mir verwandt ist.

"Ja genau, Grim.", bestätige ich ihm. Sein Unglaube ist ihm ins Gesicht geschrieben. Es schmerzt aber was hab ich auch erwartet? Das er mir sofort glaubt ohne irgendetwas. "Ich weiß das ist schwer zu glauben.", sage ich vorsichtig. "Lysander ich suche dich schon mein halbes Leben, ich dachte schon...du könntest Tod sein.", kommt es mir über die Lippen. Langsam erhebe ich mich nun und mein Blick ruht immer noch auf ihm.

"Wer sollst du denn sein, dass du mich schon dein halbes Leben lang suchst?", frage ich ungehalten.
Dunkelheit legt sich um uns. Um uns beide!
Ich ziehe die Nacht zu mir zurück und atme tief durch.
Um mich zu beruhigen, schließe ich die Augen und konzentriere mich auf meine Atmung.

"Ich bin deine Schwester, Lysander. Deine Halbschwester, wir haben den gleichen Vater.", antworte ich ihm. Die Dunkelheit die plötzlich um mich auftaucht, stört mich nicht im geringsten. Als diese wieder verschwindet und er die Augen schließt, mache ich wie von selbst einen Schritt nach vorne doch bleibe ich gleich wider stehen, den ist es wohl keine gute Idee ihm zu nahe zu kommen, auch wenn es schön wäre wenn er mich in seine Arme schließen würde.

"Schwester? Gleicher Vater?"
Ich werde lauter. Großartig. Der Mann, der mich aussetzte, hat sich eine neue Familie aufgebaut. Na vielen Dank auch.
Ruckartig drehe ich mich um und stapfe ohne ein weiteres Wort in den Wald.
Mit einer Familie, die mich erst nach 21 Jahren wiederhaben wollte, will ich nichts zu tun haben.

Ich nicke und höre natürlich das er gar nicht begeistert ist. Doch dreht er sich um und geht. Doch lasse ich sicher nicht zu das er mich einfach so stehen lässt. Ich laufe ihm hinterher und packe ihm am Arm. "Ich hab nicht so viel Ärger auf mich genommen damit du jetzt einfach abhaust.", gebe ich stur von mir. Ich kann ihn nicht einfach so gehen lassen. Nicht nach all dem was ich auf mich genommen hab.

"Ich habe dich NIE darum gebeten!", knurre ich und mache mich los.
Ich spiele mit dem Gedanken, einfach in den Schatten zu verschwinden, aber irgendwas hält mich davon ab. Vielleicht ist es auch das Wetter.
"Wieso sollte ich dir das alles glauben?", frage ich stattdessen.

Ich halte seinen Blick und Worten stand. "Nein du nicht, aber Artemis.", antworte ich ihm wahrheitsgetreu aber nicht weniger herausfordernd. "Weil du es auch fühlst, nicht wahr?", frage ich ihn. Dann nehme ich all meinen mut zusammen, den bin ich mir ziemlich sicher das er dies nicht gerne hören wollen wird. "Du siehst aus wie er.", flüstert ich deshalb leise. Es war unmöglich das ihr Vater Lysander als Sohn abstreiten könnte. Es war als würde sie ihrem Vater ins Gesicht sehen. Nun da sie es ausgesprochen hatte hielt sie es für eine extrem schlechte Idee. Doch nun war es zu spät. Ob er sie nun töten würde? Mit seinem Blick tat er es bereits.

Es ist nicht abzustreiten. Irgendwas fühle ich, aber ich bin mir nicht im Klaren darüber, was es ist.
Als sie sagt, dass ich ihm ähnlich sehe, weiß ich erst nicht damit umzugehen.
In einer Kurzschlussreaktion greife ich nach meinem Dolch und umklammere ihn hilflos.
Eine drängende Macht in mir will ihn dem Mädchen in den Bauch stoßen, eine andere versucht mich dazu zu bewegen, mir ins Gesicht zu schneiden. In dieses Gesicht das so aussehen soll wie seines.
Ich stürme davon, bis ich an einen See komme.

Als er den Dolch plötzlich in der Hand hält denke ich schon daran das er auf mich los geht. Warum konnte ich auch nicht den Mund halten. Das er davon läuft damit hätte ich nicht gerechnet. "Lysander warte....", rufe ich ihm hinter her. Doch als er auser Sicht ist bin ich mir nicht sicher ob ich ihm folgen soll. Ich sammle meine Sachen ein und gehe in die Richtung in der Lysander verschwunden ist. Irgendwann komm ich an einen See und kann Lysander dort erkennen. Ich bleibe in einem respektablen Abstand stehen und warte erstmal einfach nur ab.

Ich halte den Dolch mit beiden Händen fest. Dass ich mir dabei in die Hand schneide, ist mir komplett egal.
Sie steht irgendwo hinter mir. Das weiß ich genau. Aber ich reagiere nicht.
Das Blut läuft den Dolch entlang und tropft vor mir auf den Boden.
Fassungslos betrachte ich die Spiegelung im Wasser.
Ich sehe ihm also ähnlich.
"Wieso hat er dich behalten, wenn du doch auch ein Halbblut zu sein scheinst? Meine Mutter meinte immer, er habe Angst davor, ein Halbblut großzuziehen. Ich solle dafür Verständnis aufbringen. Wieso hat er dich dann nicht weggegeben, sowie er es mit mir gemacht hat?"

Langsam komme ich ihm näher. Ich bleibe neben ihm stehen und sehe erst nur auf den See. Doch bei seien Worten sehe ich ihn an. Ich sehe da Blut zu Boden Tropfen. Sanft lege ich meine Hand auf die seinen. "Ich bin kein halbblut, meine Mutter ist eine sterbliche.", antworte ich ihm und nun verstehe ich was sowohl in Lysander als auch meinem Vater Vorgehen musste. "Ich wünschte wirklich sehr das es anders gewesen wäre und wir evtl hätten gemeinsam aufwachsen können. Du sagst er habe Angst davor ein halbblut aufzuziehen? Dann war es wohl richtig ihm nicht zu sagen das ich auf der Suche nach dir bin. Wobei ich nicht glaube das er dich nicht liebt, es war wohl die Angst vor dem ungewissen einfach größer.", spreche ich sanft und hoffe das er den Dolch loslässt und die Wunde verarzten lässt.

Ich schiebe ihre Hand fast schon sanft weg.
"Nicht anfassen...", sage ich leise, "Bitte..."
Mein Blick wandert über den See. Oft hatte ich mir ausgemalt, was passieren würde, wenn ich ihn finden würde. Oft hatte ich mir vorgestellt, ihm ins Gesicht zu sagen, was für ein verlogener Egoist er gewesen war. Irgendwann hatte ich es aufgegeben, darüber nachzudenken. Irgendwann hatte es mir gereicht.
Aber die Wut ließ mich niemals los. Niemals.
Ich sehe Rebecca an. Meine sterbliche Schwester.
"Du kannst durch den Nebel sehen...", stelle ich fast tonlos fest.
Es überfordert mich. Die ganze Situation ist zu viel für mich.
Hab keine Angst, ruft eine Stimme in meinem Kopf, Ich wollte dir nur das zurückgeben, was man dir nahm. Deine Familie.
Artemis' Aura legt sich um mich. Es ist, als stünde sie direkt hinter uns.
Gib ihr eine Chance. Sie kann doch nichts dafür.

Das er meine Hand so behutsam wegschiebt lässt sie mich sofort zurück ziehen. "Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten.", entschuldige ich mich sofort. "Aber du solltest den Dolch wieder wegstecken und seine Wunde verarzten lassen.", füge ich noch hinzu. Seit ich von ihm weiß hab ich mir vorgestellt wie es wohl gewesen wäre mit einem großen Bruder der mich vor allem und jedem beschützt aufzuwachsen. Doch hat es mich immer zu sehr geschmerzt deshalb habe ich es bald aufgegeben. Ich erwiderte Lysanders Blick und bei seiner Feststellung nicke ich. "Ja", bestätige ich noch mal. Dabei frage ich mich was er den nun tun wird.

Keine Ahnung, ob Rebecca das auch sieht, aber Artemis erscheint in einer geisterhaften Form vor mir.
Bitte gib ihr eine Chance, bittet sie mich und streicht mir über die Wange.
Ergeben seufze ich und lasse mir von der Geister-Artemis den Dolch aus der Hand nehmen und stecke ihn weg. Dann löst sie sich auf und ich wende mich Rebecca zu.
"Ich... möchte versuchen, dich näher kennenzulernen. Vielleicht... ist das gar keine schlechte Idee und ich... ich weiß auch nicht..."
Hör auf zu denken, Lysander, flüstert Artemis' Stimme in meinem Kopf.
Ich setze mich hin und wasche mir die Hände mit dem Wasser des Sees.

Ich sehe Artemis nicht und so stehe ich einfach neben ihm und warte da er etwas sagt. Ich bin erleichtert als er endlich den Dolch wegsteckt. Seine Worte bringen mich zum Lächeln. "Das wäre schön.", antworte ich sanft. "Lass uns einfach abwarten und sehen was sich daraus entwickelt. Ich bin einfach froh das du wohlauf bist und ich dich endlich gefunden hab und sich der Ärger gelohnt hat.", kommt es mir etwas aufgeregt über die Lippen. Ich sehe ihn zu wie er sich die Hände wäscht und da ich kein Verbandszeug dabei habe reiße ich ein Stück von meinem Shirt ab, so das ich nun etwas Bauchfrei herumlaufe. Ich kniee mich neben Lysander und will im ersten Moment schon seine Hand nehmen und diese verbinden doch besinne ich mich schnell wieder und reiche ihm den Streifen Stoff. "Hier für den Schnitt, du solltest etwas Druck auf die Wunde ausüben, damit die Blutung aufhört.", füge ich dabei hinzu.

"Danke..."
Die Worte Bitte und Danke zu verwenden, ist ungewohnt, wenn Cassandra nicht dabei ist. Aber irgendwie bringe ich es über die Lippen.
Ich drücke den Stoffstreifen auf meine Hand und schimpfe mich im Stillen einen Idioten, dass ich das mit dem Dolch gemacht habe. Aber es tat gut. Auf kranke Art und Weise.
"Er...erzählst du mir... von... dir?", bringe ich langsam und stammelnd hervor. Nach ihm kann ich nicht fragen. Noch nicht. Noch lange nicht. Dann käme wieder diese blinde Wut.
Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf meine Atmung.
"Bitte... erzähl mir von dir."

"Nicht dafür.", antworte ich und setzt mich nun hin. Er fragt mich ernsthaft ob ich ihm etwas über mich erzähle. Ich nicke leicht. "Ich bin am 13. März 1998 in Russland geboren. Meine Mutter ist russin und war gerade zu Besuch bei ihren Eltern. Ich hab schon von klein auf Dinge vorhergesehen und mit 8 Jahren erschien mir Artemis im Traum. Sie erzählte mir das ich einen Bruder habe und das du ein halbgott bist. Sie musste mir gar nicht sagen das ich dich finden soll, den ab dem Zeitpunkt wollte ich dich unbedingt kennenlernen. Sie konnte oder durfte mir deinen genauen Aufenthaltsort nicht sagen. Sie hat mir auch erklärt was es mir den vorhersagen auf sich hat. Am nächsten Tag begann ich zu rechachieren, ich hatte ja nur deinen nen und Geburtsdatum. Ich konnte ziemlich viel nachvollziehen, von wo du wohin kamst und gingst, dazu musste ich mich aber auch in die ein oder andere Seite hacken. Ich hab zweimal einen Fehler gemacht und da ich beim zweiten Mal 13 war musste ich eine kleine Haftstrafe absitzen. Das gab richtig Ärger aber ich hab d...meinen Eltern nicht gesagt weshalb ich das getan habe. Sie wissen nicht das ich dich gesucht habe. Ich war mir nicht sicher wie sie damit umgehen würde .", redete ich darauf los. Wobei es mir eher darum gegangen war wie mein Dad reagieren würde. Wäre er erleichtert das ich dies tat oder sauer, ich wusste es nicht und vorläufig sollte es so bleiben. "Nun ja ich hab begonnen mich für griechische Mythologie zu interessieren und hab mich schlau gemacht, ich hab begonnen Sport zu treiben, darunter auch Kampfsport und Schwertkampf. War nicht einfach dafür die Erlaubnis zu bekommen. Vor ein paar Monaten habe ich nichts mehr finden können es dich angeht und hatte Sorge das dir etwas passiert sein könnte.", beende ich meine Erzählungen. Ich denke das wichtigste weiß er nun. Bei meiner Erzählung habe ich auf den See gestarrt da ich Lysander nicht einschätzen kann und etwas Angst vor seiner Reaktion habe.

"Dann war ich 12, als du von mir erfahren hast. Da ist vieles passiert... Aber vermutlich weißt du das schon. Vermutlich weißt du mehr von mir, als ich. Da wundert es mich, dass du nie die Hoffnung verloren hast..."
Ich weiß, dass ich keine positiven Spuren hinterlassen habe. Die meisten Leute haben kein gutes Bild von mir. Es verunsichert mich, dass Rebecca das gar nicht zu stören scheint.
"Du hast dich also wegen mir zu einer Hackerin entwickelt. Interessant."
Dann fällt mir etwas auf.
°13. März. 13.... Ein Mensch wird in dein Leben treten...°
"Meine Freundin hat geahnt, dass du kommen wirst. Irgendwie."
Ich erinnere mich an die Nacht in der Blockhütte mit Cassandra.