das Eingangsposting lautete :

Ich stelle mein Motorrad ab und sehe mich um. Der Eingang sieht merkwürdig aus, trotzdem gehe ich rein. ich laufe durch den Wald, bis ich irgendwo ankomme, ich kann es nicht genau beschreiben. Chiron, der Zentaur den ich gerade kennen gelernt habe und der offensichtlich hier wohl was zu sagen hat, führt mich zum Haupthaus. Es sieht hier wunderschön aus, irgendwie friedlich und zur gleichen zeit auch wieder nicht. Denn hier kämpfen andere Halbgötter. Sie kämpfen und lachen, doch morden tun sie einander nicht, was mich irgendwie erleichtert.
"Hier wirst du wohnen" sagt er nun lächelnd und ich trete ein. Dann führt er mich rum, bis wir in einem Zimmer stehen. "Du kannst deine Sachen hier einräumen, ich gehe mal kurz nach Vorne" meint er und verlässt damit auch schon das Zimmer.
Ich sehe mich kurz um, gehe langsam durch den Raum und lasse mich dann aufs Bett fallen. Es ist weich und kuschelig, doch ich richte mich auf, sodass ich drauf sitze und starre an die leere Wand.

Das ist gut, bestätige ich ihre
Aussage.
Mein erster Eindruck war... kompliziert.
Für einen Menschen ist es wahrscheinlich
schlichtweg etwas Anderes hierher zu kommen.
Aber er war nicht schlecht. Er war durchwachsen.
Mehrschichtig.
Ich fühlte mich sicherer als in der Menschenwelt.
Aber nur bisher. Irgendwann fiel mir auf, dass
es hier nicht großartig anders ist.
Ein Halbmensch ist immer noch irgendwo ein Mensch.
Hat man dir schon alles gezeigt?, erkundige
ich mich, obwohl ich ihr nicht wirklich mehr zeigen
könnte.

Woran sie wohl gerade denkt? An etwas
gutes oder etwas schlechtes? Oder vielleicht
denkt sie auch gar nicht nach, obwohl sie so
aussieht.
Vielleicht interpretiere ich es einfach falsch, da
kann man ja nie wissen.
Nein, aber ich habe eine Übersicht bekommen meine
ich dann. Denn Chiron hatte gerade keine Zeit und
so wichtig war es mir eigentlich auch gar nicht.
Ich bin einfach nur froh hier heile angekommen zu sein.
Was auch immer man unter heile verstehen mag.
Körperlich wenigstens, soweit es möglich ist.

Ach diese fantastische Broschüre?, kichere
ich, wobei ich tatsächlich meine Stimme kurz
hören lasse, während meine Hände die Worte
formen. Ja, die habe ich auch bekommen.
Nicht, dass ich wüsste, wo ich die zuletzt gesehen
habe, aber ich hatte sie am Anfang auch bekommen.
Vielleicht weil ich so verloren aussah, vielleicht ist
aber auch ein Peilsender darin eingebaut.
Für Chiron steht die Sicherheit des Orakels ganz oben.

Ich muss leicht lächeln und nicke einfach.
Genau die nämlich, obwohl ich ziemlich wenig
damit anfangen kann, irgendwie.
Bist du hier schon lange? frage ich dann irgendwann,
nachdem eine längere Stille aufgetreten ist.
Also eine Stille, ohne Gebärden.
Ob sie weiß wie sich ihre Stimme anhört?
Meine Stimme kenne ich, denn reden tue ich nur
wenn man mich darum bittet oder es keine
andere Lösung gibt. Oder es geht.
Doch ich kenne meine Stimme. Eine Sirenenstimme,
verlockt jeden Mann. Als Sirene kann ich nur Männer verlocken,
Frauen nun ja...die kann ich zwar in den Tod locken aber
sonst auch nichts. Und als Muse bin ich für jeden da.
Wirklich für jeden. Ich kann mir die Leute trotzdem selber
aussuchen, zum Glück.
Ich sehe Samantha an. Ob sie auch Hoffnung braucht?

Lange... Das ist relativ. Ich bin immer mal wieder hier.
Sozusagen.
Mittlerweile ist es insgesamt die dritte Woche, allerdings lagen
drei Tage "Heimurlaub" - so hatte Chiron es genannt - dazwischen.
Melody scheint nachdenklich geworden zu sein. Nachdenklich
und wieder ein wenig besorgt. Ob sie sich um ihre Gaben sorgt?
Welche Gaben sie wohl hat?
Hast du Angst davor, jemandem hier wehzutun?,
frage ich rundheraus und schaue kurz zur Tür.
Chiron wird sie nicht umsonst hier einquartiert haben.
Sicher, alle hier haben ihre mehr oder minder gefährlichen
Gaben, sogar ich. Aber die Sonderfälle hat er gerne in seiner
Nähe. Das weiß ich inzwischen.

Ich nicke leicht. Ja...ich kann mit meiner Stimme
so ziemlich alles bewirken...und dabei meine ich auch
wirklich alles. Auch Menschen in den Tod Schicken,
auch Monster, sogar Götter beeinflussen.
Ich sehe sie an. Sie scheint zu wissen, dass ich mich
mich sorge. Und irgendwie scheint sie auch mehr zu wissen.
Ich weiß nicht...vielleicht hast du schon mal was von Sirenen
und Musen gehört? frage ich sie dann. Dann könnte sie es
sich vielleicht selber etwas zusammen reimen.

Ja, das habe ich, bejahe ich und
stehe auf. Zögerlich mache ich einen
Schritt auf sie zu und bleibe dann stehen.
Der Abstand zwischen uns ist groß, zu
groß, als dass eine von uns sich bedroht
fühlen könnte.
Musen... Sirenen. Dazwischen liegen Welten.
Musen sind wunderschön, Freude bringend,
liebreizend.
Sirenen dagegen? Sirenen sind grausam,
skrupellos, gefährlich. So erzählen es die
Geschichten in den Geschichtsbüchern über
die griechische Mythologie.
Ich glaube, dass du eine ganz besondere
Halbmuse bist, erkläre ich langsam.
Das Wort klingt merkwürdig. Aber so ist es doch
nun einmal.
Das Bedürfnis mehr herauszufinden wächst.
Ich wüsste sogar, wie. Aber ich halte mich zurück.

ich seufze leise. Sirenen und Musen
sind nicht so unterschiedlich....eigentlich sind
Sirenen auch Musen und Musen sind Sirenen.
erkläre ich dann um ihr deutlich zu machen, dass
ich ebenfalls nicht nur Muse bin, sondern auch Sirene.
Und als ich das damals herausgefunden habe...
Irgendwann versucht jeder mal etwas von seiner Gabe,
sei es unbewusst.

Das spielt doch keine Rolle. Du bist ebenso
ein Mensch, widerspreche ich und nähere
mich noch einen Schritt. Uns trennt nur noch
ein Meter.
Ich kann ihren Herzschlag fast schon hören,
sehe die feinen Züge ihres Gesichtes. Nur noch
ein Schritt und ich könnte herausfinden, wie
ihr Schicksal aussieht.
Könnte. Vielleicht.
Sicher ist das nicht.
Wir stehen alle irgendwie zwischen den Fronten, oder?

Ich nicke leicht. Sie kommt immer näher,
was mich irgendwie nervös macht.
Ich sehe sie stirnrunzelnd an.
ja, das tun wir. meine ich dann.
Ist etwas? Habe ich etwas im Gesicht? frage ich,
als sie mich ansieht.

Du hast deine Gaben und ich hab nun mal
meine..., gebe ich zurück und ärgere mich
darüber, dass es so machtvoll klingt. Das ist
es nicht. Man ist nur ein Sprachrohr. Ein Sprachrohr
für die Pläne der Götter und die Zukunft. Nur Mittel
zum Zweck.
Vielleicht... kann ich herausfinden, wie gefährlich du
wirklich bist, füge ich jetzt hinzu und halte ihr meine
Hand hin.

Etwas verwundert sehe ich ihre Hand an.
Dann sehe ich sie wieder an.
Du meinst...? frage ich, doch überlege nicht
lange, sondern lege meine rechte Hand
vorsichtig in die Ihre.

Mein Kopf nickt wie von selbst. Fast schon ein wenig
ungeduldig.
Ich atme durch, als ihre dunkle Haut meine blasse
berührt. Dann lasse ich mich auf die Bilder ein,
die sich tatsächlich zusammenfinden.
Ein buntes Durcheinander wirbelt vor meinen
Augen vorbei. Menschen, die weinen. Menschen,
die hoffnungsvoll in die Ferne schauen.
Es ist ein bisschen wie ein sehr klischeehafter
Film. Außer einem Bild, das unter allen anderen
hervorsticht.
Zwei Schatten, die nebeneinander laufen.
Hand in Hand.
Lachend.
Obwohl sie vor etwas fliehen.
Aus der Trance erwachend lasse ich Melodys Hand
los und stolpere fast über meine eigenen Füße.
Das... sieht vorwiegend gut aus, stammele ich
gewissermaßen zusammen. Denn das tat es. Auf seine
eigene Art und Weise.

Ich sehe sie etwas erschrocken aus. Denn
es ist ein wenig beängstigend, sie so zu sehen.
So in Trance. Das hatte ich noch nie zuvor gesehen.
Okay.. meine ich dann und weiche etwas zurück.
Einen Teil meiner Macht kenne ich sehr gut, aber
das muss sie nicht wissen. Das will ich nicht mal wissen.
Das weiß ich von meiner Mutter.
Du hast eine interessante Gabe. sage ich dann leicht lächelnd.

Ich wuschele mir ein bisschen atemlos
durch die Haare.
Nun, es gibt bessere Gaben, aber es
ist etwas.
Manchmal wäre ich lieber ein ganz normaler
Mensch sowie mein Bruder. Oder ein Halbgott
wie Caleb oder Ethan. Nicht so ein seltsames
Zwischending, das weder in die eine noch in
die andere Welt gehört.
Wieder lächelt sie so, wie es ihr perfekt steht.
So wie ich es gerne könnte.
Du kannst sicherlich ein wenig mehr.
Ob Chiron ihr jetzt auch andauernd nachrennen
wird? Abwartend, ob sie jemanden verführt oder
dergleichen?

Ich schüttele leicht den Kopf.
Sehend zu sein...du gehlörst in beide Welten.
So wie auch wir Halbgötter. Aber es ist mehr bei dir.
Du siehst und fühlst mehr als wir es können. Und
das ist etwas wahres. Denn du hast die Wahrheit der
Welt nicht verloren.
Die Worte sprudeln einfach aus mich heraus. Es wäre
wohl das, was ich als Muse sagen würde. Doch es kommt
trotzdem von mir.

Mir schwirrt der Kopf von den vielen Gebärden.
Wahrheit der Welt?
Ohje...
Es klingt so verantwortungsvoll. Es klingt nach einer
wirklich großen Aufgabe. Und ich weiß, dass es das auch
ist. Das hat Chiron mir schon ein paar mal erklärt.
Die Sehenden verfügen über Fähigkeiten, die kein Mensch
und kein Halbgott hat.
Wärst du lieber sehend?

Nein. Ich wäre lieber einfach nur
ein Mensch der in den ganzen Lügen lebt.
antworte ich wahrheitsgemäß.
Denn dann würde ich vielleicht noch im Licht
leben und mein Vater würde noch leben und
ich hätte eine normale Mutter.
Alles wäre einfacher. Vielleicht. Irgendwie.

Ich seufze. Das Gewicht auf ein Bein
verlagernd lockere ich mich ein wenig
und sehe Melody in die Augen.
In ihnen glüht ein Feuer wie Hoffnung.
Dunkel und verschlingend.
Sowie ihre Gaben es sicherlich sind.
Gaben, für die es schon an Worten fehlt.
Als ganz normaler Mensch ist das Leben
auch nicht viel besser..., überlege
ich. Wenn ich an Will denke oder an
Philipp, der sich entgegen aller Vernunft in
mich verknallt hat. Wenn ich an sie oder
an Mom denke... Es ist nicht leichter,
als das Leben, das wir hier führen.

Schon möglich. Aber ich denke gerne an das,
was hätte sein können. meine ich etwas verkrampft.
Denn darüber denke ich fast jede schlaflose Nacht nach.
Sie hat bestimmt auch viele Albträume, so wie auch die
Meisten Halbgötter.
Aber ich versuche meistens wach zu bleiben. Auch wenn
es mich kaputt macht. Ich bin lieber todmüde als
nächtlich den Albträumen unterlegen zu sein.

Machst du dich damit nicht noch trauriger?,
frage ich vorsichtig und zupfe am Saum des Pullovers
herum. Der Pulli ist so lang, dass er mir fast bis zur
Hälfte der Oberschenkel geht.
Woran denkst du?
Ihr Blick schweift in die Ferne, wie es scheint und
verwickelt sich in Gedanken, die sie vermutlich
noch nicht entwirren kann. Wie es doch so oft
der Fall ist.

Ich sehe sie leicht nachdenklich an, obwohl
die Antwort ziemlich leicht und unkompliziert ist.
Doch, aber ich tue es trotzdem antworte ich dann
auf ihre Frage.
Denn es ist irgendwie eine Eigenschaft von mir
geworden. Wie ein kleiner Teil von mir.
Ich denke bloß an die Nacht.. erwiedere ich. Ich bin
noch nicht bereit ihr mehr davon zu erklären. Dass
ich zu persönlich. Vielleicht würde sie es verstehen,
vielleicht aber auch nicht. Und dieses vielleicht
lässt mich zurück halten.

Nacht..., buchstabiere ich langsam und
mit weichen Bewegungen, sodass die Buchstaben
ineinander über fließen. Keine Lücken, keine
scharfen Kanten, keine Hektik.
Ich frage nicht weiter nach.
Jeder trägt sein kleines Geheimnis mit sich und
wenn Tyche es uns gönnen will, dann teilen
wir das Geheimnis mit jemandem und versuchen
es so kleiner zu machen. Doch stattdessen
nehmen wir den gleichen Anteil, den wir gegeben
haben wieder mit uns, in Form eines neuen Geheimnisses,
das uns anvertraut wird.
Ein Geben und Nehmen.
Und dazwischen wir.

Ich nicke leicht und sehe sie an.
Sie wird auch ihre Geheimnisse haben
und bestimmt wird sie mir die auch nicht beim
ersten Mal verraten. Aber wer weiß, vielleicht
verstehen wir uns in einer gewissen zeit immer
noch.
Da kann man nie wissen, was sein wird.
Nicht direkt.
Plötzlich klopft es an der Tür und ich zucke erschrocken
zusammen.
"Samantha?" fragt Chirons Stimme.
"Ist Melody Joyce schon hier?" fragt er. Doch ich nicke
einfach nur. Wieso? Weil er mich nicht darum bittet zu reden.
Ich möchte eigentlich, dass er mich Joyce nennt.
Niemand soll meinen ersten Namen wissen. Er sagt zu viel
darüber aus,was ich bin. Wieso ich ihn Samantha verraten
habe, weiß ich nicht. Es war einfach ausversehen, als hätte
ich nicht darüber nachdenken können. Als würde es einfach
passieren ohne, dass ich etwas hätte tun können.

Reflexartig weiche ich von der Tür zurück,
als ich Chirons Stimme vernehme.
Die skurrile Szenerie wäre fast lustig, wenn
mein Herz nicht so rasen würde. Melody,
die die geschlossene Tür annickt und ich,
die mit weit aufgerissenen Augen fast in
ihrem Pulli zu ertrinken scheint.
"Samantha?"
Natürlich kann er uns nicht verstehen, wenn
keiner von uns spricht. Langsam tappe ich zur Tür
und mache auf.